Jeder kennt die aufblasbaren Gummi-Sexpuppen, die betrunkene Männer bei Junggesellenpartys und Festivals grölend umhertragen. Solche Puppen erinnern vom Design an Comicfiguren und finden sich in Sexshops meist in der Rubrik „Scherzartikel“.
Mittlerweile ist dieses Bild von einer Sexpuppe veraltet. Künstliche Intelligenz und Robotik haben das Sexspielzeug revolutioniert.
Diverse Hersteller entwickeln Sexpuppen, die wie echte Menschen aussehen und interagieren sollen. Die Puppen erwachen zum Leben, indem sie zu smarten Roboter-Maschinen ausgebaut werden.
Sex mit Robotern wird damit möglich und ist längst keine Science Fiction-Vision mehr.
Doch wie weit ist der technische Stand und ist die Gesellschaft überhaupt bereit dafür, dass Sexroboter zur Normalität im Schlafzimmer werden?
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Deutsche Männer stehen auf Roboter-Sex
Diese Vorstellung mag für viele zunächst befremdlich klingen, doch stößt sie offenbar auf großes Interesse: Laut der Zukunftsstudie „Homo Digitalis“ von BR, ORF, Arte und dem Fraunhofer Institut möchte gerne jeder fünfte Deutsche einmal Sex mit einem Roboter ausprobieren.
Die Studie „Sex, Lies and A.I.“ der Agentur SYZYGY zeigt dabei ein unterschiedlich großes Interesse zwischen Männern und Frauen auf. Befragt wurden jeweils 2.000 Männer und Frauen in Großbritannien, den USA und in Deutschland.
Dem Ergebnis zufolge würden 51,8 % der deutschen, 49,6 % der amerikanischen und immerhin 39,9 % der britischen Männer ein diskretes Gratis-Sexangebot mit einem Roboter nicht ausschlagen.
Anders sieht es bei den Frauen aus – nur jeweils um die 20 % aller an der Studie teilnehmenden Damen aus den verschiedenen Ländern hätten Interesse am Gratissex mit einem Liebesroboter.
Die Fokussierung vieler Sexroboter-Hersteller auf männliche Kundschaft verwundert daher nicht.
Solvente Herren, versteht sich. Denn die Roboter haben ihren Preis.
Kostspieliges Vergnügen
Das Unternehmen Abyss Creations beispielsweise produziert sogenannte RealDolls. Das sind Puppen aus hautähnlichem Silikon, die Frauenkörper realistisch nachbilden. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz sollen sie schon bald ein authentisches Sexerlebnis bieten können.
Eine solche Puppe kostet derzeit im Schnitt mehrere tausend Euro. Mit technischer Robotik-Ausstattung und diversen Extras liegt der Komplettpreis meist bei über 10.000 Euro.
Um die Sexroboter massentauglich zu machen, setzen sich diverse Hersteller das Ziel, die hohen Preise zu reduzieren.
In China ist dieser Trend bereits zu beobachten – hier kommen aktuell immer mehr Billig-Puppen auf den Markt.
Den perfekten Sexpartner kreieren
Bei Abyss Creations kann der Kunde vor der Bestellung detailliert angeben, wie seine RealDoll-Puppe aussehen soll: Von der Größe über den Brustumfang bis hin zur Haarfarbe kann der neue Sexpartner individuell zusammengestellt werden.
Die Lieferung der Puppen erfolgt – auch nach Deutschland – in großen Paketen, deren Umfang und Optik an einen Sarg erinnern.
Der Kopf der RealDoll-Puppen wurde nun mit einem Robotik-System für künstliche Intelligenz ausgestattet.
Für diese Aufgabe ist bei Abyss Creations ein eigener Geschäftsbereich namens Realbotix zuständig.
Ziel der von Realbotix entwickelten Technik ist es, dass die RealDoll X Sexroboter mit dem Nutzer reden und ein Empfindungsvermögen entwickelt.
Flirten und die Vorlieben ihres Besitzers verstehen – das sollen die Sexroboter damit laut Matt McMullen, Gründer von Abyss Creations und Realbotix, können.
Das erste dieser Roboter-Modelle trägt den Namen Harmony und kann aktuell auf der RealDoll-X-Website bestellt werden. Harmonys Stimme und Persönlichkeit soll via App an individuelle Nutzerwünsche angepasst werden können.
McMullen hat bereits Anfang diesen Jahres den Prototyp seines zweiten Sexroboters namens Solana vorgestellt. Dieser soll mit Technik zur Gesichts- und Objekterkennung ausgestattet werden, wodurch realistischer Augenkontakt mit dem Nutzer möglich wird. Die Vision: Bewegt sich der Nutzer durch das Zimmer, folgen ihm die Blicke von Solana.
Die japanisch-chinesische Firma DS Doll / Exdoll setzt noch einen drauf und verkündet die Entwicklung eines Sexroboters, der außerhalb des Schlafzimmers auch als Haushaltshilfe aktiv werden soll. Weitere Fähigkeiten sind Smalltalk über das Wetter oder das Spielen von Musik.
Der Anspruch scheint hier weit höher gesteckt als die Kreation eines bloßen Sexpartners – der Roboter soll offenbar die Rolle eines Lebensgefährten einnehmen können.
Ob die Verbraucher sich jedoch überhaupt eine tiefergehende (Liebes-)Beziehung mit einem Roboter wünschen oder ausschließlich am Sex interessiert sind, ist fraglich. Laut der Homo Digitalis-Studie halten es nur 6 % der Befragten für realistisch, sich in einen Roboter zu verlieben.
Was reizt Männer an Sexrobotern?
In China lässt sich die steigende Beliebtheit der Sexroboter von Exdoll und anderen Unternehmen nachvollziehen. Im Zuge der jahrzehntelangen Ein-Kind-Politik kam es dort zu zahlreichen Abtreibungen von als unerwünscht angesehenen Mädchen. Dadurch gibt es bei den unter 30-jährigen heute deutlich mehr Männer als Frauen – die Suche nach einer Partnerin ist bei diesem Ungleichgewicht entsprechend schwierig.
Da sind Roboter eine willkommene Alternative.
Doch was reizt Männer in anderen Ländern, wo es doch ausreichend Frauen als potentielle Partnerinnen gibt, am Sex mit Robotern?
Es dürfte ein Mix aus Bequemlichkeit und dem Wunsch nach der optimalen Befriedigung sein:
- Die Roboter sind praktisch dauergeil und stehen jederzeit zur Verfügung. Hat der Mann Lust auf Sex, bekommt er ihn auch.
- Die Roboter müssen nicht verführt werden. Der Mann spart sich Einladungen in teure Restaurants und die Mühe, seine Angebetete von sich zu überzeugen.
- Die Roboter können optisch und charakterlich an individuelle Vorlieben angepasst werden. Der Mann bekommt das Abbild einer perfekten Frau, die zu 100 % seinen Vorstellungen entspricht.
- Die Roboter kennen keine Tabus. Der Mann kann mit ihnen Fetische ausleben, ohne peinliche Geständnisse abgeben zu müssen.
- Die Roboter haben keine Erwartungshaltung. Der Sex kann komplett auf die Befriedigung des Mannes ausgerichtet werden, ohne dass er etwas „zurückgeben“ muss.
Der Faktor künstliche Intelligenz dürfte bei entsprechender Weiterentwicklung für viele Kunden ein starkes Kaufargument sein.
Sexpuppen ohne künstliche Intelligenz sind zwar echten Frauen optisch detailreich nachempfunden, bleiben aber beim Sex letztlich stumm und regungslos.
Erst durch die Interaktionen via Robotik kommt „Bewegung“ in die Sache. Nicht nur der Frauenkörper, sondern auch der Sexualakt selbst wirkt dadurch realistisch.
Gehört der Sex mit Robotern schon bald zum Alltag?
Die Entwicklung von Sexrobotern könnte das Sexgewerbe in der Zukunft grundlegend verändern.
Der britische Zukunftsforscher Ian Pearson prognostiziert, dass es bereits 2050 ganz normal sein wird, dass Roboter in Laufhäusern anschaffen und in Striptease-Bars tanzen.
Ganz unrealistisch ist das nicht: Schon heute gibt es Bordelle, in denen Sex mit Puppen angeboten wird – beispielsweise in Spanien, Frankreich und Deutschland.
Ob der Sex mit Robotern aber massentauglich und sich in Privathaushalten etablieren wird, bleibt abzuwarten. Aufgrund der angesprochenen hohen Kaufpreise ist der Robotersex momentan ein Luxusvergnügen für ausschließlich wohlhabendere Zielgruppen.
Zudem bleibt abzuwarten, wie die Gesellschaft mit dem Thema zukünftig umgeht.
Derzeit handelt es sich bei Sexrobotern eher um ein Tabuthema, das ordentlich Zündstoff für kontroverse Fragen und Diskussionen birgt:
- Kann durch Sexroboter die Prostitution mit Menschen abgeschafft werden?
- Sind kinderähnliche Roboter dafür geeignet, um Pädophile zu therapieren, oder verstärken sie nur deren Neigungen?
- Vermitteln Sexroboter ein rückständiges Frauenbild, bei dem Frauen zu Lustobjekten reduziert werden?
- Können die Roboter selbst „Opfer“ von Vergewaltigungen werden?
Zu solchen Fragen äußerten sich bereits verschiedene Ethik-Forscher und Sexualtherapeuten mit teils gegensätzlichen Thesen. Oliver Bendel, Wirtschaftsinformatiker mit Schwerpunkt Maschinenethik, stellt daher fest: „Es bräuchte […] wissenschaftliche Studien, um zu zeigen, welche Effekte im Einzelnen auftreten.“
Die Sexrobotik-Industrie wird sich wie alle Unternehmen im Bereich Künstliche Intelligenz und Digitalisierung mit den Effekten ihrer eigenen Erzeugnisse auseinandersetzen müssen.
Die Ära der Sexroboter steckt aktuell zwar noch in den Kinderschuhen, aber bereits jetzt tragen ihre Entwickler große moralische Verantwortung.
Davon abgesehen, nimmt der Sexroboter-Markt derzeit stark an Fahrt auf – auch wenn davon in Deutschland bislang wenig zu spüren ist. In den kommenden Jahren ist mit frischen Innovationen in diesem Bereich zu rechnen.
Doch egal wie authentisch und toll sich der Sex mit Robotern irgendwann einmal anfühlen wird, eines steht fest: Gänzlich ersetzen wird er den Geschlechtsverkehr zwischen Menschen nie.
Zumindest nicht, solange diese ein Interesse am Erhalt ihrer Spezies durch Fortpflanzung haben.